Hintergrundmaterial zum Bericht
Udo Boessmann: Struktur und Psychodynamik
Ingo Jungclaussen: Die psychogenetische Konflikttabelle
OPD2: Checkliste für die Strukturdiagnose
Ausführliche Darstellung der Neurosenstruktur
Altruistisch-depressive Neurosendisposition:
Udo Boessmann S. 30-32
Ingo Jungclaussen, Konflikt 5: Oraler Bindungskonflikt: früher depr. Konflikt, S. 224-228, drucken der S. 20-24
Konflikt 7: klassisch depressiver Konflikt , S. 233-237, drucken der S. 29-33
5.1 formale DIAGNOSE der NEUROSENSTRUKTUR nach Schultz-Hencke
Die depressive Struktur ist nach Schultz-Hencke durch die Gehemmtheit oraler und aggressiver Antriebe gekennzeichnet. Menschen mit einer depressiven Struktur haben latent Riesenansprüche und einen mörderischen Hass auf versagende Beziehungspersonen. Orale und aggressive Antriebsmomente sind derart bedrohlich, dass sie durch Furcht und Schuldgefühle vollständig antagonisiert werden muss. Infolge der vollständigen Abwehr erscheint der depressiv Strukturierte in Versuchungs- und Versagungssituationen wehrlos. Er kann seine Bedürfnisse nicht vertreten und nicht verteidigen. Die Forderungen der Umwelt empfindet er als Last, sie erdrücken ihn. Aufgestaute aggressive Energie findet keinen anderen Weg als – in der Form von Selbstmordimpulsen – gegen das eigene Selbst.
Auch die zwanghafte Struktur krankt nach Schultz-Hencke an der Hemmung des "Aggredi", aber mehr im Sinne der motorischen Entfaltung. "Eine lebhafte Bereitschaft zum Handeln, und zwar am rechten Ort, zur rechten Zeit, in rechter Weise", kommt beim zwanghaft Strukturierten nicht zustande. In Versuchungs- oder Versagungssituationen brechen die gehemmten "dranghaft-motorischen" Impulse umso heftiger durch und bedrohen die Kranken.
Bei der schizoiden Struktur ist das intentionale Antriebserleben gehemmt mit der Folge einer außerordentlich tief gehenden Kontaktgestörtheit, einer Zwiespältigkeit und eines grundlegenden Misstrauens gegenüber den Mitmenschen, einer daraus resultierenden Unverbindlichkeit in den Beziehungen oder gar einer schroffen Distanz zum sozialen Umfeld.
Die hysterische Struktur beruht nach Schultz-Hencke darauf, dass kein ausreichend rationales Weltbild vorhanden ist, wie es sich im vierten und fünften Lebensjahr normalerweise auf dem Wege der Realitätsprüfung herausbildet. Die resolute Erforschung der Welt, wie sie wirklich ist, einschließlich der Ergründung der Geheimnisse der Sexualität und der Herkunft der Kinder, wurde bei hysterisch Strukturierten gehemmt. Die urtümliche Produktivität frühkindlicher Phantasie und Intuitivität findet mangels ordnender und planender Ratio keinen Boden. Die infantile Expansivität führt mangels Struktur zu keinem adäquaten Verhalten. Die Irrationalität drückt sich in der Sprache aus, mit welcher der hysterisch Strukturierte "Schindluder" betreibt. „Eulenspiegelei und Clownerie beherrschen Erleben, Ausdruck und Handeln." Hysterisch Strukturierte spielen planlos die Rolle anderer. Sie leben „im fremden Gewand".
ODER
5.2 formale DIAGNOSE der NEUROSENSTRUKTUR nach OPD-2
1. Gut integriertes Strukturniveau (integriert bedeutet: verschiedene psychische Anteile arbeiten gut miteinander zusammen. Die verschiedenen Anteile der Psyche sind sozusagen in einem „psychischen Großraum“): Der Patient hat ein autonomes Selbst, einen strukturierten psychischen Innenraum, er kann die Realität gut wahrnehmen, sich selbst steuern und ist empathiefähig. Er kann Konflikte innerlich bearbeiten, ist selbstreflexiv und hat Angst, die Zuneigung eines Objekts zu verlieren (diese Angst ist Grundlage sozialen Verhaltens).
2. Mäßig integriertes Strukturniveau: Der Patient leidet unter destruktiven intrapsychischen Konflikten, entwertet sich selbst, neigt dazu, sich selbst zu schädigen. Er hat Schwierigkeiten, seine Identität zu finden und zeigt wenig Empathie. Seine zentrale Angst ist, sein wichtigstes Objekt zu verlieren.
3. Gering integriertes Strukturniveau: Der Patient hat einen wenig entwickelten psychischen Binnenraum. Er kann wenig differenzieren, teilt die Welt gern in „gut und böse“ ein. Er löst seine Konflikte durch äußere Streitereien anstatt durch innerliches nachdenken. Er kann kaum selbstreflektieren und fühlt sich „mal so, mal so“ (Identitätsdiffusion). Ungute Gefühle kann er kaum tolerieren. Er ist leicht gekränkt und seine Impulse brechen leicht durch (brüllt rasch, prügelt sich rasch). Er entwertet sich und andere, hat nur eine geringe Kommunikationsfähigkeit. Seine inneren Objekte verfolgen und strafen ihn. Seine zentrale Angst besteht darin, dass sein Selbst zerstört wird, dass er sein gutes Objekt (so vorhanden) verliert und dass das böse Objekt überhandnimmt.
4. Desintegriertes Strukturniveau: Das Selbst ist nicht kohärent, Emotionen überfluten den Patienten. Der Patient wehrt mit primitiven Abwehrmechanismen ab. Er kann kaum zwischen Selbst- und Objektbildern trennen. Empathie ist so gut wie unmöglich, ebenso Eigenverantwortung. Seine zentrale Angst ist die Angst vor Selbstverlust.
6. Behandlungsplan und Prognose
Formulierungsbeispiele:
…. Geplant ist eine analytische Psychotherapie von zunächst 160 Sitzungen bei 2-3 Stunden pro Woche. Zunächst benötigt die Patientin eine stabile und konstante korrigierende Objektbeziehungserfahrung, um stabile innere Objekte entwickeln zu können. In einer regressiven Übertragungsbeziehung soll es der Patientin ermöglicht werden, die pathologischen Objektbeziehungsmuster wiederzubeleben und in einer Übertragungsneurose zu entfalten.
…. Angesichts der vielschichtigen intrapsychischen Konfliktproblematik der Patientin sowie ihres Wunsches, ihre Probleme durchzuarbeiten ist ein psychoanalytisches Setting indiziert. Für eine analytische Psychotherapie spricht auch, dass sich bei der Patientin lebensgeschichtlich infantile Objekt- und Beziehungsmuster im Wiederholungszwang zeigen (Professor, Freund, Klassenkollege etc.).
Die vorgeschlagene psychoanalytische Psychotherapie bietet ein langfristiges und höherfrequentes Setting, um der Patientin eine ausreichende Haltefunktion zu geben, ihren selbstschädigenden Tendenzen entgegen wirken zu können.
Gleichzeitig soll die Auseinandersetzung mit dem insuffizienten mütterlichen Introjekt, verbunden mit der Wiederbelebung der abgeschirmten oder isolierten Affekte wie Wut, Verzweiflung und Ohnmacht zugelassen und durchgearbeitet werden. Dazu benötigt die Patientin zunächst ein ausreichendes Maß an Bindungssicherheit im therapeutischen Setting, um die schmerzhafte Auseinandersetzung mit dem mütterlichen Objekt zulassen zu können. Erst das Durcharbeiten der Wut und Verzweiflung und das Aufgeben der Hoffnung, von der Mutter doch noch eines Tages geliebt zu werden, führt zum "Freiwerden der inneren Objektstelle", der dann mit einem besseren Objekt besetzt werden kann, das durch partielle Identifizierung mit alten und neuen Teilobjekten und Selbstrepräsentanzen entstehen wird. Nach Auflösung der unbewussten Konflikte soll die Patientin ein größeres Maß an Autonomie und Selbstbestimmtheit erreicht haben.
Rasches Eingreifen erscheint notwendig, da die Patientin sich am Rande der Dekompensation bewegt.
Unterschrift
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